Bedingungsloses
Grundeinkommen
Die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen hat in Deutschland und vielen anderen Ländern einen großen Aufschwung genommen. Ein solches Grundeinkommen hat zwei Elemente:
1. Grundeinkommen
Die heutige Landschaft der Sozialtransfers ist durch eine Vielzahl unterschiedlicher Leistungen gekennzeichnet. In aufwendigen Antrags- und Prüfverfahren wird der jeweilige Bedarf festgestellt. Ein vereinheitlichtes Grundeinkommen hätte eine massive Vereinfachung zur Folge. Hilfesuchende sind meist mit ihrer eigenen Situation bereits stark beschäftigt; insbesondere bei Erkrankung. Die komplizierten und aufwendigen Verfahren führen häufig zu einer Überforderung. Es gilt, die Bedürftigen zu unterstützen, nicht die Findigen.
Darüber hinaus leistet sich Deutschland eine aufwendige Sozialbürokratie. Ein Grundeinkommen würde die zahlreichen Leistungen zusammenführen, vereinheitlichen und auf diese Weise bei allen Beteiligten Geld und Zeit sparen.
Während an der Sinnhaftigkeit eines bürokratiearmen Grundeinkommens in der Regel niemand zweifelt, fällt die Umsetzung allerdings sehr schwer. Der Widerstand speist sich im Wesentlichen aus dem Beharrungsverhalten der vorhandenen Strukturen und Institutionen.
2. Bedingungslosigkeit
Getrennt vom Grundeinkommen als vereinheitlichte Hilfe sind die Bedingungen für ein Grundeinkommen zu betrachten.
Freiheit bedeutet auch die Möglichkeit, scheitern zu können. Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist Instrument für eine Kultur des Scheiterndürfens. Beim bedingungslosen Grundeinkommen entfallen eine Vielzahl an Bedingungen und Prüfung. Jede Person erhält ein Grundeinkommen. Das Grundeinkommen kann neben einem einheitlichen Grundbetrag noch ergänzende Beträge für besondere Lagen beinhalten, etwa bei hoher Miete, Behinderung oder Krankheit.
Zugleich wäre dieses Grundeinkommen ein Basisschutz bei Berufsunfähigkeit oder staatlich verordneter Berufseinschränkung, wie aufgrund der Corona-Pandemie. Weiterhin kann ein bedingungsloses Grundeinkommen eine Mindestrente sicherstellen.
Finanzierungsbedarf
Kritiker warnen davor, dass ein solches Grundeinkommen in der Breite nicht finanzierbar wäre.
Beispielrechnung: Ein Grundeinkommen von 1.000 Euro / Monat für 83 Millionen Einwohner in Deutschland würde einen jährlichen Finanzbedarf von 996 Milliarden Euro bedeuten. Dem stehen im Jahr 2019 in Deutschland insgesamt 799 Milliarden Euro Steuern von Bund, Ländern und Gemeinden gegenüber. Befürworter fordern entsprechende zusätzliche Steuern, etwa auf Maschinen, um den Finanzbedarf zu decken. Allerdings wären die Steuern so hoch, dass eine Flucht der Industrieproduktion in andere Länder drohen würde.
Die Lösung ist ein Verfahren, das eigenes Einkommen oder Vermögen auf das Grundeinkommen anrechnet.
Einkommensanrechnung
Dabei wird Grundeinkommens mit anderen Einkommensquellen zu einem bestimmten Prozentsatz verrechnet.
Vereinfachtes Beispiel: Wer 400 Euro verdient und 1.000 Euro Grundeinkommen bezieht, dem werden von den 400 Euro nur die Hälfte, also 200 Euro, auf das Grundeinkommen angerechnet. Das Gesamteinkommen beträgt dann 1.200 Euro.
Die Berechnung erfolgt durch das Finanzamt. Entweder zahlt man Steuern oder erhält ein Grundeinkommen abzüglich der Anrechnung. Diese Spiegelbildlichkeit wird auch als positive und negative Einkommenssteuer bezeichnet.
Ein solches Grundeinkommen mit prozentualer Anrechnung ist bereits seit einigen Jahrzehnten unter dem Begriff „Liberales Bürgergeld“ Bestandteil der FDP-Programmatik. Das Bürgergeld wurde in den 1970er Jahren unter dem Namen Mincome in Kanada erfolgreich getestet.
Schon heute gibt es eine geringe Freigrenze von 100 Euro, die Zuwendungen nicht schmälern (0% Anrechnung). Bei Überschreitung dieser Grenze werden eigene Einnahmen zu 80% angerechnet. Verständlicherweise beeinträchtigt dies die Motivation, mehr zu arbeiten, erheblich.
Mit einer 50% Anrechnung wird nicht nur die Motivation gestärkt, sondern auch die nötige Flexibilität, um schwierige Situationen abzufedern. Analog zum Stufentarif bei der (positiven) Einkommensteuer wäre ein Stufentarif auch für die Anrechnung denkbar, so dass die Wirkung auf Motivation und Flexibilität besonders bei geringem Eigeneinkommen noch verstärkt wird.
Selbst ein Grundeinkommen ohne jede Anrechnung könnte zumindest technisch auf diese Weise erreicht werden, wenn die Anrechnungssätze nach und nach gesenkt werden.
Vermögensgrenze
Eine Vermögensgrenze spiegelt gewissermaßen die Vermögenssteuer auf der Seite der Zuwendungen. Was als Vermögen heranzuziehen wäre, und welche Freigrenzen angemessen wären, ist ähnlich wie bei der Vermögenssteuer eher kompliziert in der Ausgestaltung.
Da Vermögen auch Einkommen erzeugt, ist bei einer Einkommensanrechung eine indirekte Anrechnung von Vermögen integriert. Ab einem gewissen Vermögen wäre die Grenze für ein Grundeinkommen automatisch überschritten und ein Bezug von Grundeinkommen ausgeschlossen.
Politisch zu diskutieren ist, ob eine Vermögensgrenze ergänzend zur Einkommensanrechnung überhaupt erforderlich ist und wenn doch, wie sie auszugestalten wäre.
Fazit
Ein bedingungsloses Grundeinkommen mit Einkommensanrechnung ist sinnvoll und machbar. Die Herausforderung ist, die vielen verschiedenen Arten des Sozialtransfers zu einem Grundeinkommen zu integrieren.
Die FDP muss einen Gesetzentwurf entwickeln, der eine schrittweise Integration der verschiedenen Sozialtransfers und die Transformation zum Grundeinkommen organisiert. Weiterhin sind die Verfahren für Einkommensanrechnung und ggf. eine Vermögensgrenze zu prüfen und zu regeln.
Inhalte und Themenauswahl sind ausdrücklich keine Vorgabe und auch nicht Teil des Antrags, sondern sollen die erforderliche Debatte illustrieren.